So, wo fängt man eigentlich bei einem persönlichen Rennbericht an. Bei der Ankunft, bei der Registrierung, beim Check-in oder wirklich erst am Renntag?
Ich dachte mir, man kann hier auf Hawaii mal ganz vorne anfangen.
Vorbericht:
Angekommen abends am 31.09 in Kona ein kleiner Schreck – zum Glück von kurzer Dauer. Die TSA war mit meinem Rad doch etwas ruppiger gewesen als befürchtet. Nach 2 Stunden Schrauben und einem ersten kurzen Schock dann die Erleichterung: Das Rad ist fahr- und renntauglich!
Am nächsten Tag konnte das Training und die Akklimatisierung los gehen.
Das erste mal Schwimmen am Kona Pier war einfach unbeschreiblich. Wie ein kleines Dorf mit nur 20-30 Triathleten, das in 11 Tagen nicht wiederzukennen war, war mir zu dem Zeitpunkt unvorstellbar.
Die ersten Trainingseinheiten liefen bis auf das Schwimmen so gar nicht rund und etwas Panik machte sich breit, ob der kleine Schnupfen, den ich mir eingefangen hatte, doch noch stärker ausbrechen würde.
Aber nach knapp 7 Tagen kam dann die Erkenntnis, dass, nur wenn man abends ins Bett geht und morgens wieder aufsteht, es noch nicht heißt, dass der Körper den Jetlag überstanden hat. Mit der kleinen Trainingsgruppe aus Fuerte holte ich mir die Lockerheit, den Spaß und vor allem auch die Sicherheit zurück.
Und dann ging auf alles einmal wie im Rausch. Registrieren, Nationenparade, der erste kleine Lauf meines Sohnes, Racebriefing, Interview, und dazwischen irgendwie noch die letzten Einheiten unterkriegen. Dann kam schon der Freitag, noch mal alle drei Disziplinen kurz trainiert und plötzlich wurde es ernst. Die Wechselbeutel mussten vorbereitet werden, da wir an diese nicht mehr vor dem Wettkampftag durften. Das Fahrrad noch mal auf volle Funktionstüchtigkeit überprüfen und ab zum Einchecken. Der Name und das Land wird aufgerufen, als man eincheckt und man merk: Es ist etwas ganz Besonderes. Jeder Athlet bekommt einen eigenen Volunteer, der einem seinen Platz für das Fahrrad zeigt und zeigt, wo die Wechselbeutel aufgehängt werden und steht für Fragen parat. 15 Minuten später ist schon wieder alles vorbei. Nach Hause, Pizza essen, die Beine hochlegen und möglichst nicht an morgen denken. Um 20 Uhr schlafe ich auf der Couch ein, wechsel noch einmal ins Bett, bevor um 4 Uhr der Wecker klingelt.
Jetzt kommt der Tag, auf den Du 2 Jahre hingearbeitet hast und die letzten 10 Monate drauf hin trainiert hast. Ich bekomme eigentlich nichts runter, aber zwinge mich meine 2 Toast zu essen und schon mal viel zu trinken. Mein Vater setzt mich an der Wechselzone ab. Wieder ist alles top organisiert: Die Volunteers kleben die Nummer auf meinen Arm, man wird gewogen und darf dann nochmal an sein Rad, um alles vorzubereiten: Räder aufpumpen, Schuhe einklicken etc. Dann geht es an den Start, an den man sich 30 Und auf einmal wird alles ganz hektisch. Noch 15 Minuten bis zum Start. Wir werden ins Wasser geleitet und müssen noch knapp 200 Meter zur Startlinie rausschwimmen.
Rennbericht:
3,86 Kilometer Schwimmen
3 Minuten bis zum Start. Als guter Schwimmer versuche ich mich vorne einzuordnen. Von hinten werden wir nach vorne gedrängt und die Referees schieben uns mit ihren Boards zurück. Dann ist es endlich soweit. Der Startschuss ertönt um 06:55!
Die ersten 100 Meter aus der Meute rausschwimmen. Aber der Kampf hält das ganze Schwimmen an. Nach knapp 300 Metern sind wir ca. 10 Athleten die um die Füße der andern kämpfen. Aber es läuft. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt das Wendeboot. Ich schaue auf die Uhr und sehe 26 Minuten. Das wären 52 Minuten für die ganze Schwimmstrecke, aber der Rückweg ist deutlich schwieriger und in meinem Kopf gehen die Gedanken los. Hast Du die falsche Gruppe erwischt? Bist Du zu langsam? Wird das heute nichts? Ich schaue nach vorne und sehe bis auf zwei bis drei Athleten niemanden und versuche ruhig zu bleiben. Für die anderen ist es genau so schwer. Auf einmal kommt das Pier wieder in Sicht und ich kann den Ausstieg erkennen. Es geht aus dem Wasser in einer kleine Gruppe und komme in 52:46 Minuten als 11er an dm Wasser und doch genau im Soll.
180 Kilometer / 1790 Höhenmeter Radfahren
In der Wechselzone lasse ich die kleine Gruppe hinter mir und steige schnell aufs Rad. Es gibt eine kleine Runde durch Kona zu drehen ehe es auf der Palani Road nach oben geht und auf den Highway Richtung Hawi. Am Wendepunkt sehe ich, dass es eine kleine Gruppe mit ca. 5 Athleten gibt, die knapp 300 Meter vor mir fahren. Ich komme aber nicht an sie heran. So fahre ich die erste 35 Kilometer ganz alleine auf dem Highway. Immer nach Wattzahl, an jeder Verpflegung gieße ich mir das eisgekühlte Wasser unter den Helm und in den Nacken.
Dann schließen die ersten Athleten auf. Zu fünft geht es weiter. Deutlich leichter, jemanden vor sich im Visier zu haben. Nach Hawi hoch merke ich, dass ich die Hügel/Berge deutlich besser hoch komme als der Rest, bevor 7 Kilometer vor dem Wendepunkt eine ca. 20 Mann große Gruppe kommt, die Hinterrad an Hinterrad fährt. Windschatten? Auf dem Teilstück nicht ganz so wirksam, da es Berg hoch ging, aber ich fragte mich, wie so der Rückweg werden sollte.
In einer der Splittergruppen, die immer zwischen 3 bis 6 Athleten variierte, ging es dann auf die letzten 45 Kilometer zurück. Und dieses zogen sich mit windigen Verhältnissen ungemein. Die Verpflegungsstellen waren da eine willkommene Abwechslung. Die letzten Kilometer taten nochmal weh und kurz bevor es rechts ab nach Kona ging, kam mir schon Jan Frodeno auf dem Highway entgegen. Da dachte ich, der kommt ja in Ziel wenn ich den Ali’i Drive zurück komme. Vorweggenommen: Dem war nicht so.
Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Direkt nach dem Wendepunkt bergab gab es dann Attacke nach Attacke. Mit knapp 55 KM/H und extremen Seitenwinden wurde die Gruppe in viele Teile zersplittert. Dazu kamen dann endlich die Referees und verteilten Zeitstrafen. Genugtuung.
Es ging in die Wechselzone und zur Überraschung standen dort nur sehr wenige Räder. Dass ich gut im Rennen lag, dachte ich mir, aber so gut, war mir nicht bewusst. Im Wechselzelt fühlte man sich dann wie ein Profi. Während ich mich umzog, wurden mir Getränke angeboten, ein eiskaltes Handtuch in den Nacken gelegt und der Wechselbeutel aufgehalten. Es ging los zum Marathon, vor dem ich den allergrößten Respekt hatte.
42,195 Kilometer / 308 Höhenmeter Laufen
Raus aus dem Wechselzelt bekam ich von meiner Familie und den Zuschauern die ersten Infos: 10 Overall. In meinem Kopf dachte ich nur an meinen Plan. Kühlen, Kühlen und n nochmals Kühlen und nicht zu schnell los laufen. Gerade auf Hawaii wird es hinten raus extrem schwer. Ein kleine Runde und dann ab auf den Ali’i Drive. Unbeschreiblich. Zuschauermassen schreien dich nach vorne. Leute, die Du nicht kennst, feuern Dich an. Schwierig dabei nicht zu euphorisch zu werden. Ich hole nach vorne auf. Das sehe ich, denn der Abstand zu Spitze ist zwischenzeitlich unter 2 Minuten. Aber mir war klar, dass die richtig schnellen Läufer von hinten kommen würden. Also ruhig bleiben. Ich freue mich über jede Verpflegungsstation und nehme alles, was ich kriegen kann: Eiswürfel in den Anzug, Schwämme auswringen, alles zu Trinken, was ich bekomme. Und schon ist der Wendepunkt da. Das ging schneller und besser als gedacht, aber der harte Teil kommt ja auch noch. Zurück vom Ali’i Drive sehe ich meine Familie, die mich anfeuert. Pure Motivation. Schade, dass keine Zuschauer im Energy Lab erlaubt sind, denk ich mir. Die Palani Road kommt. Bis hierhin immer etwas belächelt, muss ich zugeben, dass sie sehr steil ist, was im Fernsehen nicht rüber kommt: Knappe 500 Meter! Locker hoch, bloß nicht hier das komplette Rennen wegen 10 Sekunden Zeitverlust durch den steilen Anstieg beenden müssen. Oben angekommen geht es auf den Highway. 13 Kilometer nur hoch und runter ohne jeglichen Schatten. Noch einmal Motivation tanken, als ich bei Hannes Hawaii Tours durchlaufe. Dann wird es einsam, sehr einsam. Ab hier halte ich an jeder Verpflegungsstation an. Nicht weil ich muss, sondern weil ich mir die Kühlung als höchste Priorität gesetzt hatte. Ich nehme wirklich alles, selbst 2 Liter Flaschen mit Eiswasser. 3 Sekunden ein unbeschreibliches Gefühl, dann ist es schon wieder vorbei und erneut einfach nur heiß. Die Konkurrenten, die die Verpflegungsstellen ohne etwas zu sich zu nehmen, passieren, hole ich nach knappen 30 Metern wieder ein. Von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation immer eher. Ich denke mir, Du machst alles richtig. Das hilft mir mich, zu motivieren, denn langsam wird es zäh und es ist gerade mal Halbzeit. Da kommt Jan Frodeno mir entgegen. Ich merke, wie weit es noch war, als ich ihm auf dem Fahrrad gesehen habe. Sein Vorsprung ist riesig.
Die neue Streckenführung lässt einen erst mal am Energy Lab vorbeilaufen. Ich schaue schon mal rüber. Ab hier habe ich einen kleinen Tiefpunkt. Meinen Rennnahrung, die ich bei mir trage geht zu Ende, aber gleich gibt es den Special-Needs Beutel, in dem ich meine Verpflegung für die letzten 20 Kilometer habe. Falsch gedacht, im Energy Lab angekommen, gibt es diese Verpflegung erst auf dem Rückweg. Ein paar Läufer überholen mich. Das ist mir zu dem Zeitpunkt total egal. Ich will nur meine Kohlenhydrate. Hier überholt mich auch Philip Herber, der spätere Viertplatzierte. Er läuft locker an mir vorbei. Dann kommt die erhoffte Verpflegungsstelle. Mir wird mein Beutel angereicht. Gefühlter Luxus. Während des Laufens hole ich meine Flasche raus, auf die ich mich so freue, obwohl das Gemisch fast 40 Grad hat. Knappe 5 Minuten später geht es wieder deutlich besser. Raus aus dem Energy Lab und wieder rauf auf den Highway. Das Belügen des eigenen Kopfes fängt an. 13 Kilometer bis zum Ziel, aber eigentlich geht es ja nur bis zur Palani Road, dann geht es nur noch bergab bis zum Ziel also nur noch 10 Kilometer. Es läuft wieder etwas runder. Im Kopf merke ich, dass es heute wahrscheinlich gut wird, wenn ich die nächsten 5 Kilometer durchkomme. Ich nehme weiterhin jede Verpflegungsstation. Auf einmal sind Julie von Gruenigen und Laura neben mir. „Du bist auf Platz 5, 30 Sekunden hinter dir ist noch einer“. Auf Platz 5?! Das wäre das Podium. Ich laufe schneller, es brennt in den Oberschenkeln, aber ich merke es geht. Kilometer in 4:10er Pace. Ob das die anderen schaffen? Die Kilometer fliegen auf einmal vorbei, die letzten Verpflegungsstellen nehme ich im Laufen, auf einmal hinter der Kurve der letzte Anstieg auf dem Highway, bevor es runter geht über die Palani Road. Da sehe ich das orangene Trikot von Philip der ZwiftTri Academy. Nicht zu verkennen. Ich hole auf, deutlich. Gefühlt renne ich den Berg hoch. Nochmal durch das Stimmungsnest bei Hannes durch, ehe die Oberschenkel auf dem steilen Stück bergab nochmal richtig brennen. Und dann war da ja noch die kleine Lüge. Unten angekommen noch der Schlenker, der aber dann doch noch mal fast 2 Kilometer war. Ich versuche Platz 4 noch zu erreichen, aber als ich auf den Ali’i Drive abbiege, sehe ich dass das nicht mehr klappen wird. Ich genieße die letzten 100 Meter. Da kommt der Zielbogen. Ich sehe eine 8 vorne und kann es nicht glauben.
8:55:26 Stunden!!!
Danach ging alles wie im Flug. Eine Massage gönne ich mir und dann endlich auf zur Familie. Alle sind unglaublich aus dem Häuschen, so richtig weiß ich nicht warum. Ich bin einfach nur erleichtert, im Ziel und nicht geplatzt zu sein. Ich freu mich, bei den meisten Bekannten ist es auch gut bis sehr gut gelaufen. Da macht das Bierchen doch doppelt Spaß. Weiter gehts, Rennrad und Sachen auschecken. Mit allen noch eine Kleinigkeit essen und ab ins Bett. Da war doch noch was, mein Handy verbindet sich das erste mal mit dem WLAN. Mein Benachrichtigungsanzeige explodiert. Ich freue mich, dass sich so viele Leute freuen und schlafe ein. 6 Uhr: Ich bin schon wieder wach. Sachen einpacken, Tickets für die Siegerehrung für schlappe 55 Dollar kaufen. Immerhin meine beiden Söhne sind umsonst. Ein kleines Bierchen mit Dirk Froberg, er scheint sich für mich zu freuen, so richtig verstehe ich „noch“ nicht warum. Nach Hause, zu Ende packen fertig machen und zum Banquet of Champions. Es gibt Essen, ein paar Bierchen und schon müssen wir uns aufstellen. Wir werden nach vorne gerufen bekommen unsere Umeke und stehen auf der großen Bühne. Ein unbeschreibliches Gefühl. Dann geht es wieder runter. Die Profis kommen dran. Alles so schnelllebig und irgendwie nicht real.
Dann geht es endlich weiter in den Club. Anders als bei anderen Sportarten feiern wir hier alle zusammen. Zwischen Jan Frodeno, Alistair Brownlee usw. wird gefeiert. Bis Punkt 2 Uhr dann ist Speerstunde. Wahrscheinlich auch besser.
Am nächsten Morgen geht es dann mit dem Auto nach Hilo, wo wir die nächste Woche verbringen. Nach knappen 10 Kilometern während der Autofahrt, fällt auf einmal ein Riesen Stein vom Herzen. Gefühlte 20 Kilo leichter verdrücke ich ein paar Tränen. Meine Frau und Kinder fragen, ob alles in Ordnung ist. Es war der erste ruhige Moment nach dem Rennen und ich fange an zu realisieren, was für mich am Samstag dieses Rennen bedeutet hat. Ich habe nicht nur meinen persönlichen Traum erreicht, sondern sogar übertroffen.
Ein Sub 9 Finish auf Hawaii bei schwierigen Bedingungen. Dazu dann der 5. Platz in der AK, was auch der 13. Platz aller AK’ler bedeutete und sogar bedeutet, dass ich unter den Top 50 aller Männlicher Athleten gehöre. (Sogar zehnt bester Deutscher und dritt bester Deutscher bei den Amateuren).
Nach und nach komme ich jetzt auch dazu, alle Nachrichten und Glückwünsche zu lesen. Vielen, vielen Dank für den ganzen Zuspruch und die Glückwünsche.
Jetzt genieße ich erstmal noch die verbleibenden Zeit auf Hawaii und dann muss ich mir mal überlegen wie es nächstes Jahr weiter geht.
Zum Abschluss möchte ich mich noch mal bei allen bedanken, meiner Familie, meinem Trainer Sven Imhoff, meinen Partnern und Euch, die mir alle den Mut, die Kraft und die Motivation gegeben haben das Projekt Ironman World Championship für mich unvergesslich zu machen.
Danke!